Fokus

Neben den Standardmessungen und -auswertungen stellt OSTLUFT im folgenden Abschnitt Ergebnisse von Projekten und Auswertungen vor oder beleuchtet spezielle Aspekte der Luftqualität.


Neue WHO-Richtwerte – geringe Luftverschmutzung ist noch zu viel

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Herbst 2021 neue Leitlinien für die Belastung durch Luftschadstoffe veröffentlicht. Darin werden aufgrund der neuen wissenschaftlichen ...

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Neue WHO-Richtwerte – geringe Luftverschmutzung ist noch zu viel

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Herbst 2021 neue Leitlinien für die Belastung durch Luftschadstoffe veröffentlicht. Darin werden aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich tiefere Richtwerte für die wichtigsten Luftschadstoffe vorgeschlagen als in der letzten Version von 2005. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse weisen nach, dass auch geringe Luftverschmutzungen sich negativ auf die Gesundheit auswirken.

Welche neuen Erkenntnisse zur Anpassung der Richtwerte geführt haben, wird im Folgenden am Beispiel von Feinstaub und einer wissenschaftlichen Studie erklärt. Doch zuerst ein Rückblick: Ob durch die Industrialisierung seit dem 19. oder die Verbreitung des Autos ab Mitte des 20. Jahrhunderts – es ist seit langem bekannt, dass die Luftverschmutzung krank macht. Aber erst nach den 1960er-Jahren wurde die Verminderung der Luftbelastung global vorangetrieben und ein Schutz von Mensch und Umwelt angestrebt. In der Schweiz folgte erst in den 1980er-Jahren eine konkrete Umsetzung, unter anderem mit der Festsetzung von Immissionsgrenzwerten für verschiedene Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid (SO₂), Stickstoffdioxid (NO₂), Ozon und Schwebestaub in der Luftreinhalte-Verordnung.

Luftschadstoffe werden in kleinsten Mengen täglich, Jahr für Jahr und über Jahrzehnte eingeatmet. Welche Schadstoffbelastungen dabei noch akzeptabel sind, ist nicht einfach zu ermitteln. Seit Beginn der ersten Luftreinhaltemassnahmen werden daher auch wissenschaftliche Studien über gesundheitliche Auswirkungen von Schadstoffen durchgeführt. Die Qualität und Aussagekraft solcher Studien hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiger Faktor ist dabei der Beobachtungszeitraum, ein anderer die Menge der untersuchten Studienteilnehmer sowie das Spektrum der erfassten Belastungen.

Eine kürzlich abgeschlossene langjährige Studie über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftschadstoffen ist das "Effects of Low-Level Air Pollution" (ELAPSE) Projekt. Dabei untersuchte eine Publikation (Strak et al. 2021) unter anderem die Feinstaubbelastung und ihre Gesundheitsauswirkungen in sechs europäischen Ländern. Diese Untersuchung umfasste mehr als 320'000 Studienteilnehmer in acht Kohorten, deren Belastung abgeschätzt werden konnte. Der Beobachtungszeitraum begann je nach Kohorte bereits während den Anfängen der Luftreinhaltepolitik, nämlich Mitte der 80er- / Anfang der 90er-Jahre. Der lange Zeitraum, die sehr grosse Personenmenge und das Belastungsspektrum, das auch Regionen mit tiefen Belastungen umfasste, ermöglichten es, besonders robuste und aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Ergebnisse, wie sie noch vor wenigen Jahren aufgrund der Datenlage gar nicht ermittelbar waren. So konnte unter anderem gezeigt werden, dass Feinstaub in deutlich niedrigeren Konzentrationen als bisher angenommen das Sterberisiko erhöht.

Die ELAPSE-Studie ist nur eine von vielen hundert in den letzten Jahren abgeschlossenen Studien, die die neuen WHO-Empfehlungen bestätigen. Sie alle zeigen, dass die Luftverschmutzung global eine der grössten Umweltgefahren für die menschliche Gesundheit ist und bereits geringe Belastungen zu ernsthaften Beeinträchtigungen der Gesundheit der Bevölkerung führen. Deshalb hat die WHO die bisherigen Empfehlungswerte nach unten angepasst.

In der Schweiz erfasst die Dokumentationsstelle LUDOK des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institutes (Swiss TPH) im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt die publizierte Literatur zum Thema Luftverschmutzung und Gesundheit und liefert weiterführende Informationen zum Thema. Deren Analysen werden mit einem regelmässigen Newsletter allen Interessierten zur Verfügung gestellt.

Mit den neuen WHO-Leitlinien befasst sich derzeit die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene (EKL). Die EKL ist die Kommission des Bundesrates, die sich aus Expertinnen und Experten im Bereich der Luftreinhaltung zusammensetzt. Sie berät das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) sowie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in wissenschaftlich-methodischen Fragen im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung und den Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Menschen und der Natur. Die EKL wird nun die Empfehlungen der WHO für die Schweiz bewerten und ihre Schlussfolgerungen und Vorschläge zusammen mit einem Evaluationsbericht dem UVEK unterbreiten.

Vergleich der bisherigen und neuen WHO-Richtwerte und der Grenzwerte der Schweiz

Schadstoff

Mittelungszeit

WHO-Richtwert
2005

WHO-Richtwert
2021

LRV-
Grenzwerte
Schweiz

Einheit

PM10

Jahr

25

15

20

µg/m³

PM10

Tag a

50

45

50

µg/m³

PM2.5

Jahr

10

5

10

µg/m³

PM2.5

Tag a

25

15

µg/m³

NO₂

Jahr

40

10

30

µg/m³

NO₂

Tag a

25

80

µg/m³

Ozon

Sommersaison b

60

µg/m³

Ozon

8 Stunden

100

100

µg/m³

Ozon

1 Stunde

120

µg/m³

Neben den Richtwerten definiert die WHO auch Zwischenziele, welche sich innerhalb eines realistischen Zeitrahmens in Ländern mit stark belasteten Gebieten verwirklichen lassen.

99-Perzentil (d.h. 3-4 Überschreitungen pro Jahr)

b Durchschnitt des maximalen 8-Stunden-Mittelwerts der Ozon-Konzentration in den sechs aufeinanderfolgenden Monaten mit der höchsten Ozon-Konzentration im Sechsmonatsdurchschnitt

Links:


Galgenbucktunnel – Einfluss auf die Luftqualität in Neuhausen am Rheinfall

Am 6. Dezember 2019 wurde in Schaffhausen der Galgenbucktunnel nach achtjähriger Bauzeit eröffnet. Der neue Tunnel soll zu einer Verkehrsentlastung in Schaffhausen und Neuhausen am ...

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Galgenbucktunnel – Einfluss auf die Luftqualität in Neuhausen am Rheinfall

Am 6. Dezember 2019 wurde in Schaffhausen der Galgenbucktunnel nach achtjähriger Bauzeit eröffnet. Der neue Tunnel soll zu einer Verkehrsentlastung in Schaffhausen und Neuhausen am Rheinfall führen. Den Einfluss der neuen Strasse und der erwarteten Verkehrsverlagerung auf die Luftqualität hat OSTLUFT im Auftrag vom ASTRA über mehrere Jahre untersucht.

Verkehrsentlastung rascher nachweisbar als Veränderung der Luftqualität

Der 1'138 Meter lange Tunnel entlastet die Gemeinde Neuhausen am Rheinfall vom Durchgangsverkehr und soll die Funktionstüchtigkeit des A4-Anschlusses Schaffhausen Süd sichern. Bereits nach fünf Monaten zeigen sich deutliche Verkehrsabnahmen zwischen 44 und 55 Prozent auf den Durchgangsstrassen, die durch den neuen Tunnel entlastet wurden, wie das Baudepartement Schaffhausen in seiner Medienmitteilung am 20. April 2020 berichtete.

Um Veränderungen in der Luftbelastung festzustellen, sind längere Messreihen notwendig. Neben dem Verkehrsaufkommen spielen verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle, insbesondere die Saisonalität und die Witterung. In den Jahren 2020 und 2021 stand das allgemeine Verkehrsaufkommen auch unter dem Einfluss der Corona-Massnahmen. Deshalb sind breite Vergleiche zwischen den Schadstoffen, Zeitverläufen und anderen Messorten notwendig. Hilfreich ist dabei ein Kollektiv langjähriger Messreihen von unterschiedlichen Standorttypen. Dies steht OSTLUFT dank seinem Messkonzept zur Verfügung. Im Raum Schaffhausen hat OSTLUFT vor und nach der Tunneleröffnung Messstandorte betrieben. Diese mussten aufgrund der Bautätigkeit und anderer Faktoren mehrmals verschoben werden. Dies erschwerte einerseits die Auswertung, andererseits konnten die räumlichen Gegebenheiten besser abgebildet werden. Diesem Zweck diente auch das umfangreiche Netz mit NO₂-Passivsammlern in Neuhausen am Rheinfall und Schaffhausen.

Deutliche Entlastung der NO₂-Belastung

Am Messstandort Schaffhauserstrasse in Neuhausen am Rheinfall lag die NO₂-Belastung 2019 bei 28 µg/m³ und sank 2020 auf 20 µg/m³. Damit liegt die NO₂-Belastung deutlich unter dem Jahresmittel-Grenzwert von 30 µg/m³. Die Abnahme zwischen den beiden Jahren ist mit 8 µg/m³ beziehungsweise fast 30 Prozent viel grösser als an den anderen vergleichbaren Standorten im OSTLUFT Gebiet im gleichen Zeitraum. Mindestens die Hälfte des Rückganges kann dabei auf die Tunneleröffnung zurückgeführt werden. Der Effekt der Tunneleröffnung zeigt sich auch im NO₂-Passivsammlermessnetz im Gebiet von Schaffhausen und Neuhausen am Rheinfall. So sanken die NO₂-Jahresmittelwerte an den durch den Galgenbucktunnel wenig betroffenen Gebieten zwischen 2015 und 2020 um rund 20 bis 30 Prozent, an den durch Tunnel entlasteten Standorten hingegen um bis zu 40 Prozent. Im Jahr 2021 blieben die Konzentrationen etwa auf dem Vorjahresniveau. Für die Messstandorte Neuhausen am Rheinfall Klettgauerstrasse 16, Klettgauerstrasse 60 und Schaffhauserstrasse 71 werden 15 Prozent Belastungsrückgang der Tunneleröffnung zugeschrieben.

Tunnel-Einfluss auf Russ und Feinstaub unterscheiden sich

Die Russbelastung am Messstandort Schaffhauserstrasse zeigt ein vergleichbares Bild wie NO₂ und verringerte sich zwischen 2019 und 2020 um rund 25 Prozent. Dies ist wiederum deutlich mehr als an den Vergleichsstandorten im OSTLUFT-Gebiet mit einer Reduktion von fünf bis zehn Prozent. Beim Feinstaub PM10 wurde jedoch keine vergleichbare Reduktion festgestellt. PM10 zeigt ein grossräumigeres Belastungsmuster, in dem lokale Quellen weniger stark auffallen.

Fazit

Die Ergebnisse der langjährigen Luftuntersuchungen zeigen, dass sich durch die Verkehrsumlagerung auch die Luftbelastung entlang der bisher stark belasteten Strassenzüge im Raum Schaffhausen und Neuhausen am Rheinfall verbessert hat.

Link zum Projektbericht

NO₂-Jahresmittelwerte
Vergleich zwischen 2019 und 2020

[µg/m³]

  2019  2020  Abnahme (mit Prozent)

PM10 Jahresmittelwerte
Vergleich zwischen 2019 und 2020

[µg/m³]

  2019  2020  Abnahme (mit Prozent)

Russ EC-Jahresmittelwerte
Vergleich zwischen 2019 und 2020

[µg/m³]

  2019  2020  Abnahme (mit Prozent)

NO₂-Jahresmittelwerte
Vergleich zwischen 2019 und 2020 (Passivsammler-Messnetz)

[µg/m³]

  2019  2020  Abnahme (mit Prozent)

2019

2020


NO₂-Passivsammler: Einsatz, Entwicklung und Qualitätssicherung

Der motorisierte Strassenverkehr ist eine der Hauptquellen für Stickoxide wozu auch Stickstoffdioxid (NO₂) zählt. Dadurch ergibt sich je nach Verkehrsdichte und Abstand zu den Strassen ...

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NO₂-Passivsammler: Einsatz, Entwicklung und Qualitätssicherung

Der motorisierte Strassenverkehr ist eine der Hauptquellen für Stickoxide wozu auch Stickstoffdioxid (NO₂) zählt. Dadurch ergibt sich je nach Verkehrsdichte und Abstand zu den Strassen eine grosse räumliche Variabilität in der NO₂-Belastung. Um diese Variabilität besser abzubilden, setzt OSTLUFT neben den 15 automatischen Messstationen, die Echtzeit-Daten liefern, eine grössere Anzahl NO₂-Passivsammler zur Überwachung der Luftqualität ein.

NO₂-Passivsammler als Ergänzung zu den Messstationen

Die automatischen Messstationen erfassen die Luftqualität und die Belastung durch NO₂, Feinstaub, Russ und Ozon kontinuierlich. Dabei liefern sie Daten in Echtzeit mit grosser zeitlicher Auflösung und mit hoher Genauigkeit. Die empfindlichen Messgeräte werden in einem klimatisierten Container mit Stromanschluss betrieben. Diese benötigen einen geeigneten Standplatz entsprechend der Fragestellung, die mit der Messstation untersucht werden soll. Zudem verlangen die Messgeräte einen grossen Betreuungsaufwand. Trotz laufender Optimierung im Betrieb sind die Luftmessstationen entsprechend ressourcen- und kostenaufwändig.

Als günstige, einfachere Alternative respektive als Ergänzung eignen sich NO₂-Passivsammler. In diesen wird das NO₂ aus der Luft an einer chemischen Substanz (Sorbens), die auf einem feinmaschigen Metallnetz aufgebracht ist, gebunden. Das präparierte Metallnetz wird in einer Deckkappe auf einem Acrylglas-Röhrchen platziert. Für die Lagerung und den Transport sind die Röhrchen zusätzlich mit einer Verschlusskappe verschlossen. Die einseitig offenen Röhrchen werden in einer Wetterschutzhaube aufgehängt. Während der Expositionszeit von zwei oder vier Wochen diffundiert das NO₂ aus der Aussenluft durch das Röhrchen und wird an das Sorbens gebunden. Danach wird das Röhrchen mit der Verschlusskappe versehen an ein Labor zur Analyse eingeschickt, wo die Menge des gebundenen NO₂ bestimmt wird. Daraus lässt sich die durchschnittliche Konzentration von NO₂ in der Luft am Messstandort berechnen.

Einsatzmöglichkeiten: Vom Schulhausbau bis zur Modellvalidierung

Die Luftbelastung mit Stickstoffdioxid ist wesentlich geprägt durch die lokalen Emissionen am und in der Nähe des Messortes und kann kleinräumig stark variieren. So fällt die NO₂-Konzentration an stark befahrenen Verkehrsachsen meist hoch aus, nimmt jedoch mit der Distanz zur Strasse rasch ab.

Da Passivsammler günstig sind und fast überall aufgehängt werden können, ermöglichen sie eine bessere räumliche Auflösung bei der Erfassung der NO₂-Belastung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind z.B. in dicht bebauten Gebieten wichtig, um ein realistisches Bild über die Exposition der Wohnbevölkerung zu erhalten. Passivsammler-Daten dienen auch zur Überprüfung von Luftschadstoffmodellen, bei denen die NO₂-Belastung flächendeckend berechnet wird. Dank dem NO₂-Passivsammlernetz steht OSTLUFT auch eine grössere Anzahl von Langzeitmessungen zur Verfügung, die die Entwicklung der NO₂-Belastung der Luft dokumentieren.

Im OSTLUFT-Gebiet werden Passivsammler unter anderem an sogenannten "Hot Spots" eingesetzt, also an Messorten, an welchen ein hohes Verkehrsaufkommen zusammen mit ungünstigen Umgebungsbedingungen wie Stau, Stop and Go-Verkehr oder geschlossene Bebauung zu erhöhten Belastungen führen. An solchen Orten fehlt meist der Platz für eine Messstation. Nützlich sind Passivsammler-Messungen auch zur Beantwortung von spezifischen lufthygienischen Fragestellungen bei Schulhaus-Neubauten, Änderungen im Verkehrsregime oder Anfragen aus der Bevölkerung sowie zur Bestimmung der Hintergrundbelastung an abgelegenen Orten. Die Passivsammler haben sich dabei in der Vergangenheit als einfache und robuste Messmethode bewährt und werden auch in Zukunft für ein breites Spektrum an Fragestellungen eingesetzt.

Vor- und Nachteile der NO₂-Passivsammler

Die Passivsammler weisen gegenüber den Messstationen verschiedene Vor- und Nachteile auf. Die Bestimmung eines Jahresmittelwerts für NO₂ ist mit den Passivsammlern wesentlich günstiger. Die Passivsammler erfordern keine Wartung und können einfach und fast überall aufgehängt werden. Damit lassen sich lokale Strukturen in der Luftbelastung gezielt abbilden.

Dagegen liefern sie keine zeitlich hochaufgelösten Werte (nur Jahresmittelwerte) und die Daten sind nicht sofort verfügbar. Deshalb ist ein Vergleich mit den Tagesmittelwerten nicht möglich. Zudem weisen die Passivsammler verschiedene Abweichungen gegenüber den Messwerten von automatischen Messgeräten auf. Bekannt sind unter anderem jahreszeitliche Unterschiede aufgrund von Lufttemperatur und Feuchte. Auch die Bauweise des Sammlers oder die Analytik im Labor kann einen Einfluss auf das Resultat haben. Deshalb braucht es eine zusätzliche Qualitätssicherung und den Abgleich mit dem Referenzverfahren.

Qualitätssicherung

Um auch bei den Passivsammlern verlässliche Messwerte garantieren zu können, sind in den Empfehlungen des Bundesamts für Umwelt und der Schweizerischen Gesellschaft der Lufthygiene Fachleute (Cercl'Air) Vergleiche zwischen Passivsammlern und Referenzmessverfahren vorgegeben. OSTLUFT führt dafür an ausgewählten Messstationen Parallel-Messungen zwischen Passivsammlern und den Messgeräten der Messstationen, die dem Referenzverfahren entsprechen, durch. Mit der Gegenüberstellung der Parallel-Messungen von Passivsammler und Referenzverfahren wird jährlich die Korrekturfunktion für die Umrechnung der Passivsammler-Jahreswerte bestimmt. Mit der Korrekturfunktion werden abschliessend alle Jahresmittelwerte der NO₂-Passivsammler auf die Referenz abgeglichen. So wird eine gute Datenqualität der Messwerte und die Vergleichbarkeit aller NO₂-Messungen von OSTLUFT sichergestellt: Die Jahresmittelwerte liegen mit wenigen Ausnahmen in einem Bereich von max. +/- 10% vom Messwert des Referenzverfahrens.

Links zu Projektberichten mit NO₂-Passivsammlern

Vergleich der NO₂-Jahresmittelwerte bei den Parallelmessungen
zwischen Passivsammlern und Refenzmethode an den OSTLUFT-Messstationen

Vergleich der Parallelmessungen über die Jahre 2014 bis 2020

NO₂-Passivsammler mit Wetterschutzhaube

Wechsel der NO₂-Passivsammler

Zürich Rosengartenstrasse (ZH)

Zürich Bellevue (ZH)

Zürich Turbinenplatz (ZH)

St.Gallen Langgasse (SG)

Wettswil Poststrasse (ZH)

Winterthur Baustelle Ohrbüelstrasse (ZH)

Winterthur Sägeweg (ZH)

Chur A13 Auobahn (GR)

Triesenberg Gschindstrasse (FL)

Brülisau Hoher Kasten (AI)


Eigenschaften und Eignung von Low-cost-Sensoren

Seit einigen Jahren sind kostengünstige Messsysteme auf dem Markt verfügbar, die auf Sensortechnologien basieren und Luftschadstoffmessungen der Aussenluft für wenig Geld versprechen ...

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Eigenschaften und Eignung von Low-cost-Sensoren

Seit einigen Jahren sind kostengünstige Messsysteme auf dem Markt verfügbar, die auf Sensortechnologien basieren und Luftschadstoffmessungen der Aussenluft für wenig Geld versprechen (Low-cost-Sensoren). Welche Anwendungsmöglichkeiten solche Sensoren bieten und warum sie weit davon entfernt sind, die klassischen Luftmessgeräte, wie sie in den OSTLUFT-Messstationen betrieben werden, abzulösen, wird nachfolgend erklärt.

Kaufen, auspacken und losmessen: Low-cost-Sensoren sind günstiger als konventionelle Messgeräte. Zudem sind sie viel kleiner, haben einen geringeren Stromverbrauch und liefern ihre Daten meist direkt an eine Datenzentrale. Auf den ersten Blick eine grossartige Entwicklung, liegt der Haken doch im Detail, oder besser gesagt in der Genauigkeit und Verlässlichkeit.

Messgeräte müssen für den Einsatz kalibriert werden. Dabei wird eine Umrechnungsfunktion vom Messsignal zur Konzentration des gemessenen Stoffes in der Luft ermittelt. Messgeräte mit Low-Cost-Sensoren werden vom Hersteller nur einmalig kalibriert. Dies geschieht unter Bedingungen, wie zum Beispiel konstanter Druck und Temperatur sowie Zusammensetzungen der Luft, die meist nicht denen am Einsatzort und zur Einsatzzeit entsprechen. Zudem verändern Sensoren ihre Eigenschaften durch Lagerung, Transport, Temperaturschwankungen oder Luftfeuchtigkeit. Sensoren beginnen zudem durch Alterung oder Verschmutzung früher oder später zu driften. Auch ihre Lebensdauer in der Grössenordnung von Monaten ist verhältnismässig kurz. Um Sensoren für reproduzierbare und genaue Luftschadstoffmessungen einsetzen zu können, ist daher immer ein grosser Aufwand für regelmässige Kalibrationen und Vergleiche mit Referenzgeräten nötig. Dieser hohe Aufwand übertrifft die niedrigen Anschaffungskosten bei weitem.

Für die amtliche Überwachung der Luftqualität, wie sie OSTLUFT durchführt, sind Messungen mit hoher Genauigkeit über einen langen Zeitraum und unter hohen Qualitätsstandards notwendig. Dies erreicht OSTLUFT durch die Verwendung von geprüften und zertifizierten Messgeräten entsprechend der Referenzmethode sowie regelmässigen Kalibrationen. Anhand der so ermittelten Messwerte wird die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte gemäss LRV überprüft. Die Lebensdauer klassischer Messgeräte kann Jahrzehnte betragen.

In Kombination mit einem klassischen Messnetz, welches eine nachträgliche Kalibrierung der Sensoren sicherstellt und die Messwerte kontrolliert, können Low-cost-Sensoren möglicherweise ergänzend für Projekte eingesetzt werden. Denkbar sind zum Beispiel stationäre Messungen mit räumlicher Verdichtung oder mobile Messungen. So liessen sich Low-cost-Sensoren allenfalls ähnlich den NO₂-Passivsammlern für weitere Luftschadstoffe einsetzen. Derzeit wird die Datenqualität und -sicherheit von Passivsammlern durch Sensoren aber noch nicht erreicht.

OSTLUFT beobachtet die Entwicklung von Low-cost-Sensoren aufmerksam und prüft mögliche temporäre Einsätze im Rahmen von Projekten.

Links:

Verlauf von Parallel-Messungen für Feinstaub PM2.5 am Standort Arbon Hafen
zwischenen einem Low-cost-Sensor und dem Referenzgerät

[µg/m³]

Vergleich von Parallel-Messungen für Feinstaub PM2.5 am Standort Arbon Hafen
zwischenen einem Low-cost-Sensor und dem Referenzgerät

[µg/m³]

Luftbelastung wird durch Emissionen verursacht – die Witterung beeinflusst deren Auswirkung

Menschengemachte Schadstoffeinträge in die Luft (‘Emissionen’) sind für die Luftbelastung (‘Immissionen’) in der Schweiz ausschlaggebend. Langzeitmessreihen von Immissionen dienen unter anderem ...

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Luftbelastung wird durch Emissionen verursacht – die Witterung beeinflusst deren Auswirkung

Menschengemachte Schadstoffeinträge in die Luft (‘Emissionen’) sind für die Luftbelastung (‘Immissionen’) in der Schweiz ausschlaggebend. Langzeitmessreihen von Immissionen dienen unter anderem dazu, die Entwicklung der Emissionen zu verfolgen und die Wirkung von Luftreinhalte-Massnahmen nachzuweisen. Änderungen in den Schadstoffemissionen sind oft nicht direkt in der Immissionsbelastung erkennbar. Ein Hauptgrund dafür ist die witterungsbedingte Verfrachtung, Verdünnung und Veränderung (‘Transmission’) der ausgestossenen Schadstoffe. Luftschadstoffe können durch Niederschlag ausgewaschen oder durch chemische Prozesse verändert und aus der Luft entfernt werden. Zudem sind in vielen Fällen auch die Emissionen von der Witterung abhängig. Diese Zusammenhänge müssen bei Analysen von Immissionsverläufen berücksichtigt werden.

Der vorliegende Beitrag ist der dritte Teil einer Reihe in den OSTLUFT Jahresberichten, die den Einfluss der Witterung auf die Luftqualität verdeutlichen soll (siehe auch Wechselspiel zwischen Witterung und Luftbelastung und Einfluss der Witterung auf die Verfrachtung von Luftschadstoffen).

Die Überlagerung aller Vorgänge führt zu einem variablen Zeitverlauf der Luftbelastung

In vorgängigen Fokusartikel in den Jahresberichten 2019 und 2020 wurde beispielhaft erläutert, wie die Witterung die Emissionen beeinflussen kann und die Verdünnung der Schadstoffe in der Luft behindert oder fördert. Zum Beispiel wird im Winter vermehrt geheizt und dementsprechend auch mehr Luftschadstoffe ausgestossen. Je nachdem, ob der Winter kalt oder mild verläuft, sind die Emissionen von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Gleichzeitig werden Luftschadstoffe während kalten, stabilen Wetterlagen schlechter in der Atmosphäre verteilt und sammeln sich verstärkt in Quellennähe an. Die Witterung trägt zudem zur chemischen Umwandlung von Luftschadstoffen bei. All diese witterungsbedingten Unterschiede treten zwischen den Jahren, innerhalb eines Jahres und zwischen Tag und Nacht auf. Zusätzlich ändert sich die Aktivität von Schadstoffquellen wie zum Beispiel die Verkehrsaktivität kurzfristig (Tages- und Wochengänge) sowie langfristig (über viele Jahre). Durch Verbesserungen in der Motorentechnik und Abgasreinigung von Fahrzeugen wurde deren Emissionsverhalten in den vergangenen Jahrzenten verändert. All diese sich überlagernden Prozesse verursachen starke zeitliche Schwankungen der Luftbelastung.

Verlauf der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
1 Tag im April 2019

[µg/m³]

Tages-Mittelwert: 29.3 µg/m³

Verlauf der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
1 Woche im April 2019

[µg/m³]

Wochen-Mittelwert: 34.9 µg/m³

Verlauf der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
Jahr 2019

[µg/m³]

Jahres-Mittelwert: 33.5 µg/m³

Interpretation der Luftbelastung erfordert Fachwissen

Neben der Beurteilung der gemessenen Luftbelastung im Hinblick auf deren schädliche Gesundheits- und Umweltauswirkungen nutzen die Lufthygiene-Fachleute die langjährigen Messreihen zur Erfolgskontrolle. Dabei leiten sie aus den Immissionsverläufen ab, inwieweit Massnahmen zur Minderung von Emissionen wirksam geworden sind. Diese Analyse trennt idealerweise die Auswirkungen der Witterungseinflüsse im gemessenen Immissions-Zeitverlauf vom Langzeittrend der Emissionsentwicklung. Für solche Betrachtungen ist vertieftes, methodisches und fachliches Wissen notwendig. Im Folgenden wird auf einige Fallbeispiele eingegangen.

Vergleichbarkeit der Ozon Spitzenwerte

Ein einfacher Fall, wie man verschiedene Jahre untereinander besser vergleichbar macht, ist, die Messwerte auf gleiche massgebliche Bedingungen umzurechnen. Ein Beispiel ist die stark temperaturabhängige Entwicklung der Spitzenbelastung mit Ozon ("Sommersmog"). Die Messwerte werden dabei pro Jahr immer auf eine Standardtemperatur von 30°C bezogen. So verringert sich die Variabilität von Jahr zu Jahr und ein zeitlicher Trend in der Ozonbildung ist besser ableitbar. Die Methode ist im OSTLUFT Jahresbericht 2013 (Seite 28-31) beschrieben.

Vergleich des Verlaufs der maximalen Ozon-Stundenmittelwerte pro Jahr
gemessen und normiert auf 30°C am Standort Zürich Heubeeribüel

[µg/m³]

Witterungsnormierung auf die Tagestemperatur von 30°C (maximales Stundenmittel)
(Details siehe OSTLUFT Jahresbericht 2013 S. 30)

Sich überlagernde Einflüsse in Stickstoffdioxid-Zeitreihen

Bei der Datenanalyse von Immissionsverläufen können verschiedene, sich überlagernde zeitliche Einflüsse voneinander getrennt werden. Im vorliegenden Beispiel geschieht dies für die Stickstoffdioxid-Belastung statistisch, indem die Messwerte in die Beiträge der Tages-, Wochen- und Jahresgänge sowie die Langzeitentwicklung zerlegt werden. Die Abbildungen zeigen für Opfikon – Balsberg (ein stark verkehrsgeprägter Standort nah der Autobahn) diese Beiträge im Mittel pro Jahr (seit 2008; Jahr durch die Farbe gekennzeichnet - je dunkler desto aktueller). Sie ergeben sich einerseits aus der Dynamik der Emissionen selber, wie zu Beispiel durch unterschiedlichem Verkehrsaufkommen im Tages- und Wochengang, und andererseits aufgrund von den verschiedenen Witterungseinflüssen, wie zum Beispiel durch die schlechtere Durchmischung der Luft im Winter. Der Langzeittrend wird in dieser Betrachtungsweise von kurzfristigen, schwankenden Einflüssen getrennt und kann damit eher als ein Mass für die Entwicklung der Emissionen interpretiert werden.

Zeitreihenzerlegung der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
1. Beitrag: Tagesgang

[µg/m³]

Zeitreihenzerlegung der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
2. Beitrag: Wochengang

[µg/m³]

Zeitreihenzerlegung der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
3. Beitrag: Jahresgang

[µg/m³]

Zeitreihenzerlegung der NO₂-Stundenmittelwerte am Standort Opfikon Balsberg
4. Ergebnis: Langzeittrend

[µg/m³]

Link zur Methodik: Forecasting Time Series with Multiple Seasonal, Ajeng Prastiwi, 2019

Statistische Analyse zum Langzeittrend von reduziertem Stickstoff

Reduzierter Stickstoff in der Luft (NHx = Summe aus gasförmigem Ammoniak und Ammonium im Feinstaub) stammt vor allem aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die Emissionen in Form von Ammoniak sind sehr stark von der Witterung abhängig (Details siehe im Kapitel Ammoniak). Deshalb schwanken die Jahresmittelwerte von Jahr zu Jahr erheblich, was Trendanalysen erschwert. Eine Möglichkeit, trotzdem Schlussfolgerungen zur Emissionsentwicklung aus den Messwerten zu ziehen ist, ein Modell aufzustellen, in welches auch witterungsbezogene Messgrössen eingehen, um die gemessenen Werte möglichst gut zu erklären. In vorliegendem Beispiel wurde dies mit einer statistischen Methode für eine Messstelle bei Kappel am Albis für eine Zeitreihe von 2013 bis 2019 durchgeführt. Mit dem Modell kann abgeleitet werden, welcher Anteil der Langzeittrend unabhängig von der Witterung an den Messwerten hat. So ist zu erkennen, dass die Messwerte vor allem witterungsbedingt stark schwanken, während das Modell über die sieben Jahre weder eine Zu- noch eine Abnahme der Belastung ausweist.

Links zu wissenschaftlichen Publikationen:

Trendanalyse zu reduziertem Stickstoff (NHx-N)
am Messstandort Kappel am Albis

[µg/m³]